Gedanken zu Sturm und Weite
Newsletter 02/2022
You are the sky. Everything else – it’s just the weather.
– Pema Chödrön
Heute Morgen sass ich an meinem Küchentisch. Und habe mich mit einem Cappuccino in der Hand in den Bann ziehen lassen: ein äusserst wildes Treiben der Sturmwolken mit immer wieder blauen Himmelsflecken fand da vor dem Küchenfenster statt. Ein urlebendiges Spiel der Wolken, mit konstanter Veränderung und Bewegung. Mal dick und grau, und dann wieder leicht und fluffig. Und dahinter, ab und an sichtbar, konstant und so weit, lag – völlig unbeeindruckt vom Sturm wie immer – der blaue Himmel.
Auch in unserem (Innnen-)Leben ist es oft so, dass da ein wilder Sturm durch uns hindurch- oder über uns hinwegfegt. Uns umweht und erschüttert. Vielleicht lädt der äußere Sturm zuweilen auch sogar den inneren Sturm ein? Wie leicht ist es da, sich in den Wolken, im Sturm zu verlieren, und ganz darin aufzugehen. In der Hoffnungslosigkeit, in der Angst, im Schmerz, in der Wut, der Trauer, der Enge.
Für Pema und mich ist dieser Sturm gerade der Verlust von Pema’s Lehrer, HH Dudjom Yangsi Rinpoche, das ‘passing into Paranirvana’ des lineage-holders von Pema’s tibetisch-buddhistischer Tradition.
Und gleichzeitig gibt es auch in diesem inneren Sturm immer wieder Türen und Fenster die sich öffnen. Wie die Wolkenfenster am Himmel, geben sie den Blick auf das große Ganze frei. Diese Türen, diese Fenster, sind eine Einladung für uns, mutig durch sie hindurchzugehen. Diese als spiritual warrriors zu durchschreiten. Aus der Enge wieder in die Weite zu gehen. Aus der Sturmwolke heraus in den blauen Himmel, der immer hinter allem liegt.
Was uns davon zurückhält die Tür zu durchschreiten? Oftmals wohl unser Ego. Das Verhaftetsein am Sturm, am Schmerz, der Wut, der Angst, der Trauer.
Was uns hingegen dabei unterstützt diese Tür zu durchschreiten, ist die Kraft, die aus unserer Praxis entsteht. Die innere Stärke, die größer werdende Resilienz, die wachsende Unterscheidungskraft. Diese Tür, dieses Fenster, ist eine Chance für uns. Eine Einladung zu wachsen, Veränderung zu erlauben, spirituelle Weisheit zu erreichen. “Emotionale Exzellenz zu erlangen”, wie es meine Lehrerin Ammaji nennt.
Und wenn wir dann hindurchgehen, durch diese Tür. Wenn wir den blauen, weiten Himmel wieder anerkennen und ebenso würdigen, wartet eine reiche Belohnung auf uns. Die Ruhe mitten im Sturm, die Weite im Zentrum der Angst, die Zuversicht inmitten der Hoffnungslosigkeit, die Verbindung mit unserer innersten Essenz. Dieses Gedicht von Mark Nepo (hier ein kurzer Ausschnitt daraus), erinnert mich immer wieder daran:
And yes, on nights like tonight I too feel alone
But seldom do I face it squarely enough to see that it’s a door
into the endless breath that has no breather,
into the surf that human shells call God(dess).– Mark Nepo
In der Hoffnung, dass dieses Teilen meiner Gedanken,
eine Inspiration in deinen Tag bringt!
♥ OM, Helga